Kin Ping Meh: oder die abenteuerliche Geschichte von Hsi Men und seinen sechs Frauen
- insel Verlag, anonym
- Erschienen: April 1977
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Casanova auf chinesisch
Der reiche chinesische Apotheker Hsi Men ist das, was man einen Lebemann nennt. Er kann es sich leisten, liebt Partys, teure Kleidung, erlesene Speisen und Getränke. Und Frauen, viele Frauen. Ein Leben im Jetset, so würde man es nennen, wenn das Buch nicht schon so alt wäre. Geschrieben wurde es im 16. Jahrhundert, erzählt wird eine Geschichte aus dem 12. Jahrhundert. Hsi Mens Geschichte: „In zweiter Ehe war er seit kurzem mit Mondjungfer verheiratet, der 25jährigen Tochter des Stadtkommandanten, außerdem lebten noch zwei Nebenfrauen im Hause.“ Und unter der weiblichen Dienerschaft sind ein paar hübsche Dinger, denen er regelmäßig seine Aufwartung macht. Außerdem ist er viel unterwegs, auch da lässt er nichts aus, „mit den Winden zu tollen und mit dem Mondstrahl zu spielen, Wolken bersten zu lassen“. Letzteres ist eine Umschreibung für den weiblichen Orgasmus. Und auch so manche Frau ist ganz von sich aus scharf auf ihn, wie die etwas intrigante Goldlotos. Für Hsi Men sind sie allesamt seine „Pflaumenblüten“ wie er sie nennt.
Blumige, erotische Poesie
Diese wunderbar blumigen und liebevollen Bezeichnungen für Menschen, Gespielinnen, Praktiken und Körperteile machen einen besonderen Reiz des Romans aus. Ist man es aus der zeitgenössischen Literatur doch gewohnt, dass alles anatomisch korrekt bis in die letzte Falte und Haarstoppel beschrieben wird oder mit sehr kriegerischem und düsterem Vokabular. Schwerter, Knüppel, Latten oder Lanzen treffen da auf Grotten und Spalten … und ja, auch das hat seinen Reiz. Aber alles so sanft fantasievoll umschrieben zu lesen, ist auf eine poetische Weise sehr anregend. Wenn die Wolken bersten, im Doppelbogen der Neumondsichel, wenn dem Schrei der Goldammer gleiche Wonnelaute ertönen, weil er mit dem Fleiß eines bunten Falters immer wieder in die süßen Tiefen des duftenden Blumenkelchs taucht ...
Damals wurde der Text wegen der vielen, vielen eindeutigen sexuellen Handlungen als Pornographie verboten. Verständlich, dass der Autor anonym bleiben wollte. Die Literaturwissenschaft geht davon aus, dass ein berühmter Schriftsteller der Autor ist, eine Art chinesischer Thomas Mann seiner Zeit. Die vorliegende Übersetzung stammt von 1977.
Alt-chinesische Sexspielzeuge und Potenzmittel
Im Geschäftsleben ist Hsi Men nicht wirklich ein Sympath, er schmiert und intrigiert, wie es seinen Interessen gerade passt. Und auch wenn seine Frauen sich ohne ihn vergnügen, kann Hsi Men ziemlich ungemütlich werden, dann gibt es Prügel mit der Peitsche und zwar mit Ernst und nicht als neckisches SM-Spielchen.
Hochinteressant übrigens, was es im China der damaligen Zeit so alles an Sexmitteln und Spielzeugen gab. Kraftpillen etwa, die aus jedem Mann einen "mit einem Ding wie ein Esel machen": lang und stark, fest und hart. Und für die männliche „Schildkröte“ gab es seidene und silberne Traghalter genannte Schmuckstücke. Eine Überdosis Potenzmittel besiegelt leider auch das Ende von Hsi Men, er vögelt sich regelrecht zu Tode. Passend für diesen chinesischen Don Juan, und wer weiß, vielleicht für ihn sogar wünschenswert.
Fazit
Ein dicker Band voll altertümlicher Exotik und lebenspraller Erotik. Für unsere heutigen Verhältnisse weniger ein Porno als ein Meisterwerk der erotischen Sprache, außerdem hochinteressant, wie nebenbei so viel über das Leben im alten China zu erfahren.
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