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02.2019 Sigrid Tinz im Gespräch mit Dania Schiftan, der Autorin von „Coming Soon“.

... je mehr eine Frau ihr Geschlecht spüren und steuern kann, desto besser kann sie sich von jedem Penis ihre Lust holen ...

Erotik-Couch: Liebe Frau Schiftan, Sie sind Sexologin, das verrät uns der Klappentext Ihres Buches; dort steht auch, dass Sie nach der Methode des „Sexocorporel“ arbeiten. Erklären Sie uns kurz was das ist? Und was man wie davon merkt, wenn man Ihr Buch liest …

Dania Schiftan: Sexocorporel ist ein sexualtherapeutisches Konzept aus Kanada. Nach meinem Verständnis ist die Hauptaussage des Sexocorporel, dass Sexualität gelernt ist und entsprechend auch auf Lebenszeit beeinflusst, verändert und erweitert werden kann. Diese Therapieform hat mich in meiner Laufbahn am meisten überzeugt. Dementsprechend kommt dieser Ansatz auch in meinem Buch sehr stark zum Tragen. Dies startet bereits beim Untertitel «Orgasmus ist Übungssache», welcher ganz klar sagt, dass auch der Höhepunkt der Sexualität gelernt werden kann. Sonst hätte ich den Titel «Orgasmus ist Glückssache» wählen müssen. Kurz zusammengefasst ist die Hauptaufgabe des Buches, die Frauen – und auch die Männer! – anzuregen, ihre Sexualität zu reflektieren und sie darauf hinzuweisen, dass sie diese verbessern können, indem sie dazulernen. Guter Sex ist lernbar – und Sexualität ist gelernt. Das heißt: Unsere Sexualität ist so gut, wie sie entwickelt ist. Je besser und je vielfältiger man sein eigenes Geschlecht entwickelt hat, desto mehr kann man es einsetzen – und desto größer ist die Freude an diesem. 

Erotik-Couch: Treffender als „Ihr Buch lesen“ wäre sicherlich „durcharbeiten“. Es enthält viele Übungen und – wie Sie eben beschrieben haben, lautet ja so auch der Untertitel. Also geht es gar nicht darum, sich einfach nur richtig fallen lassen können, wie man es zum Beispiel in Frauenzeitschriften liest? Damit der Höhepunkt dann halt vom Himmel fällt? Oder eben auch oft genug nicht. Sondern man kann es trainieren?

Dania Schiftan: Das mit dem Fallenlassen sollte man nicht zu ernst nehmen. Dies suggeriert nämlich, dass die Frauen etwas falsch machen und sich beim Sex nicht entspannen können – was sie zusätzlich unter Druck setzt, sich doch endlich fallen zu lassen. Was sie oftmals nicht wissen ist aber, dass in unserem Körper sehr vieles urbiologisch abläuft. Das heißt, wenn der Körper angespannt ist, gehen Gedanken und Emotionen andere Wege, als wenn wir uns entspannen. Das bedeutet also auch, dass die Sexualität aktiv beeinflusst und verändert werden kann und der Orgasmus nicht einfach gottgegeben ist, sondern mit Übung und Training erreicht werden kann. Ich benutze hier gerne den Vergleich zu anderen Themenbereichen wie den Sprachen oder einem Instrument, wo völlig klar ist, dass man üben muss, um ein bestimmtes Niveau und eine „Erfüllung“ zu erlangen.

Erotik-Couch: „Coming Soon“ ist ein Sachbuch, aber hier auf unserer Couch stellen wir auch viele Romane vor. Und in denen klappt es immer mit dem weiblichen Orgasmus, ob die Frauen nun gefesselt sind oder Blümchensex haben, gleich beim ersten Mal, beim ersten Date oder beim Quickie in der Umkleidekabine. Geht das wirklich? Und mit Ihrem Trainingsprogramm ginge es für alle Frauen?

Dania Schiftan: Das sind wir genau wieder bei der letzten Frage – die Romane und Filme suggerieren uns, dass alles immer so selbstverständlich ist. Die einen haben das Orgasmus-Glück, die anderen nicht. Das setzt die Frauen natürlich unter Druck und vermittelt ein komplett falsches Bild von der weiblichen Sexualität. Wobei, klar, es gibt die Frauen, bei welchen alles mehr oder weniger auf Anhieb klappt, wenn sie Sex haben. Was aber die Vorgeschichte ist dieser Frauen, fragt niemand: Alle, bei denen alles vermeintlich auf Anhieb klappt, haben seit dem Babyalter trainiert, sich angefasst, ihre Vagina ins Spiel miteinbezogen, sehr viel Zeit und Freude in die Selbstexploration investiert. Kurzum: Sie haben die Nerven geweckt und mit dem Hirn verbunden.

Erotik-Couch: Allerdings: In der erotischen Literatur haben es auch die Männer meistens voll drauf, technisch; und größentechnisch. Auch so ein Dauerbrennerthema, ob und wie es ankommt auf Dicke, Länge, Frequenz, Dauer und den richtigen Winkel. Was sagen Sie als Fachfrau dazu?

Dania Schiftan: Je versierter ein Mann mit seinem Penis umgehen und je besser er ihn steuern kann, desto interessanter wird natürlich auch der Sex mit diesem Mann. Hängt der Penis einfach vorne dran und wird vom Besitzer wie ein Schlagbolzen verwendet, um rein- und rauszustechen, kann auch der nach der erotischen Literatur perfekteste Penis keine Erfüllung bieten. Wie die Frauen können auch die Männer trainieren und investieren, und ihr Repertoire erweitern.  Nichtsdestotrotz ist es für mein Buch relevanter, was auf der Seite der Frau passiert: Denn je mehr eine Frau ihr Geschlecht spüren und steuern kann, desto besser kann sie sich von jedem Penis ihre Lust holen, und zwar auf die unterschiedlichsten Arten. Wenn sie ihren Körper aktiv einsetzen kann, wird es weniger zentral, was der Mann genau damit macht.

Erotik-Couch: Mit Ihrem Buch üben die Frauen erst einmal alleine, ohne Partner. Wie finden das denn im Allgemeinen die Männer so? Und wie finden Sie es, wenn sie dann irgendwann wieder mitmachen dürfen, haben Sie da Rückmeldungen bekommen?

Dania Schiftan: Es wäre ein Missverständnis, dass man die Sexualität, wie man sie mit dem Partner lebt, seinlassen soll. Die Idee ist vielmehr, parallel zur Paarsexualität in der Selbstbefriedigung etwas Neues zu entwickeln. Wenn man Lust hat, das Gelernte in die Partnerschaft miteinzubeziehen, dann ist das super. Wenn man aber keine Lust oder den Eindruck hat, dass es zu viel Unruhe bringt in die Partnerschaft, kann man gut zuwarten damit. Ich teile es in einer Therapie sehr gerne auf. Denn wenn man in die Sexualität eines Paares, das sowieso schon ein angespanntes Sexualleben hat, zu viele Veränderungen einbringt, werden alle verunsichert. Und dann leidet vielleicht auch das noch, was sie noch miteinander haben. Darüber hinaus hat man viel mehr Raum, viel weniger Ablenkung, wenn man erst für sich experimentieren und das Erfahrene mit der Zeit in die Beziehung einfließen lassen kann.

Generell finden es die Männer meist eine sehr gute Idee, wenn die Frauen alleine üben und Verantwortung für ihren eigenen Teil übernehmen können. Denn viele Männer fühlen sich verantwortlich für die sexuelle Befriedigung ihrer Frau, aber wissen gleichzeitig nicht richtig, was sie machen sollten. Eine schwierige Aufgabe, die sie selbst kaum lösen können. 

Erotik-Couch: Vielleicht wäre es toll, wenn es für die Männer auch ein Buch gäbe? Statt „Coming soon“ vielleicht eher „Coming Later“? Oder sind Männer solche Orgasmus-Naturtalente, dass sie keine Übung brauchen?

Dania Schiftan: Danke für den Vorschlag (lacht).  Ich würde sehr gerne ein weiteres Buch schreiben. Denn nein, Männer sind keine Naturtalente, was den Orgasmus anbelangt. Was Männer aber als Vorteil gegenüber den Frauen haben ist, dass sie oft seit dem Kleinkindalter schon die Möglichkeit und Gelegenheit hatten, mit ihrem Penis zu üben, weil er außen dran ist und sich nicht wie bei den Frauen alles zu einem großen Teil in ihrem Körperinnern versteckt. So berühren sie diesen tagtäglich, sei dies beim Gang auf die Toilette oder beim An- und Ausziehen. Dies ist auch der Grund, weshalb sich die Männer häufig sehr verbunden fühlen mit ihrem Geschlecht. Das dürfen und können die Frauen aber alles aufholen. Und mit meinem Buch gelingt dies ein wenig leichter.

Das Interview führte Sigrid Tinz im Februar 2019.
Fotos © privat

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